Radfahren mag auf den ersten Blick einseitig wirken. Aber um wirklich stark, effizient und verletzungsfrei zu fahren, brauchst du mehr als nur Kilometer auf dem Rad. Training jenseits des Sattels kann den Unterschied zwischen Stillstand und Fortschritt machen.
Egal ob Wochenend-Fahrer oder mit Blick aufs Podium: Wenn du gezielt an Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer arbeitest, kannst du deine Leistung spürbar verbessern. Du willst schneller bergauf, länger durchhalten oder Überlastungen vermeiden? Mit einem durchdachten Cross-Training hebst du dein Rad-Game aufs nächste Level.
Was ist Radfahren?
Radfahren ist eine Ausdauersportart, bei der sich dieselbe Bewegung immer wiederholt und vor allem die untere Körperhälfte zum Einsatz kommt. Obwohl es im Vergleich zum Laufen weniger belastend ist, stellt Radfahren dennoch hohe Anforderungen an muskuläre Ausdauer, das Herz-Kreislauf-System und die neuromuskuläre Koordination.
Diese Muskeln arbeiten beim Radfahren:
- Quadrizeps und Gesäßmuskulatur: Sie liefern den Großteil der Kraft beim Treten nach unten.
- Oberschenkelrückseite und Waden: Sind aktiv beim Hochziehen der Pedale und wichtig für einen gleichmäßigen Tritt.
- Rumpfmuskulatur: Sorgt für Stabilität, effiziente Kraftübertragung und weniger Ermüdung.
- Oberkörpermuskulatur: Stützt den Oberkörper und hilft beim Steuern – vor allem bei Anstiegen und Abfahrten.
Energiesysteme im Einsatz
Beim Radfahren werden – je nach Intensität und Dauer – verschiedene Energiesysteme beansprucht. Das aerobe System ist bei den meisten Fahrten die Hauptenergiequelle. Vor allem bei längeren, gleichmäßigen Touren in moderatem Tempo.
Es nutzt Sauerstoff, um Kohlenhydrate und Fette in Energie umzuwandeln – und ist damit entscheidend für Ausdauerleistung und die Erholung zwischen intensiven Phasen.
Ein gezieltes Training des aeroben Systems verbessert deine Herz-Kreislauf-Leistung, erhöht die Mitochondrien-Dichte in der Muskulatur und kurbelt die Fettverbrennung an. Alles wichtige Grundlagen für konstante Leistung über Stunden hinweg.
Wenn es allerdings zum Sprint kommt, ein steiler Anstieg wartet oder du im Rennen Tempo zulegen musst, springt das anaerobe System ein. Es stellt Energie schnell und ohne Sauerstoff bereit, produziert dabei aber Laktat, was bei mangelnder Laktattoleranz zu schneller Ermüdung führen kann. Intensive Intervalle und kurze, explosive Belastungen trainieren dieses System und verbessern deine Fähigkeit, mit Laktat umzugehen.
Zusätzlich unterstützt das ATP-PC-System kurze und explosive Energieeinsätze von bis zu 10 Sekunden – zum Beispiel bei einem explosiven Start aus dem Stand oder einem maximalen Sprint.
Alle drei Systeme zusammen ermöglichen es dir, im gesamten Intensitätsspektrum leistungsfähig zu bleiben. Wenn du sie gezielt – sowohl auf dem Rad als auch im ergänzenden Training – entwickelst, legst du den Grundstein für ganzheitliche Fitness und maximale Performance im Sattel.
Fitness-Komponenten beim Radfahren
Wenn du abseits des Bikes gezielt trainieren willst, solltest du die wichtigsten Fitness-Bereiche kennen, die deine Leistung auf dem Rad beeinflussen:
- Kardiovaskuläre Ausdauer: Wichtig für lange Fahrten und eine schnelle Erholung zwischen intensiven Abschnitten.1
- Muskuläre Kraft:Vor allem in den Beinen entscheidend, um bei jedem Tritt mehr Kraft und Effizienz zu entwickeln.
- Power:Die Fähigkeit, Kraft schnell zu erzeugen – entscheidend für Sprints, Anstiege und Tempoverschärfungen im Rennen.
- Beweglichkeit und Flexibilität:Verbessern die Trittmechanik und helfen, typische Überlastungsverletzungen zu vermeiden.
- Rumpfstabilität:Sichert Balance, Haltung und eine effiziente Kraftübertragung vom Ober- in den Unterkörper.
Krafttraining für Radfahrer
Krafttraining schafft die muskuläre Basis, die du brauchst, um intensivere Belastungen zu meistern und Verletzungen vorzubeugen.2
Unterkörper-Übungen:
- Back Squats mit Langhantel: Fördern die Bein- und Hüftkraft insgesamt.
- Bulgarian Split Squats: Verbessern die einbeinige Kraft und Stabilität.
- Romanian Deadlift: Stärken Oberschenkelrückseite und Gesäß und fördern die Kraft der hinteren Muskelkette.

Oberkörper-Übungen:
- Pullups: Stärken Latissimus und oberen Rücken – wichtig für das Handling des Bikes.
- Pushups: Trainieren Brust, Schultern und Trizeps – für eine bessere Haltung und mehr Kontrolle.
- Dumbbell Bent Rows: Fördern Rückenkraft und muskuläres Gleichgewicht.

Core-Übungen:
- Plank-Variationen: Fördern Stabilität und Kraftausdauer im Rumpf.
- Dead Bugs: Stärken die Körpermitte bei gleichzeitiger Wirbelsäulenstabilität.
- Russian Twists: Verbessern die Rotationskraft für besseres Bike-Handling.

Ganzkörper-Übungen:
- Kettlebell Swings: Fördern explosive Kraft und stärken die hintere Muskelkette.
- Farmer Walks: Verbessern Griffkraft, Rumpfstabilität und Körperhaltung.

Ausdauertraining für Radfahrer
Auch wenn Radfahren an sich eine aerobe Sportart ist: zusätzliches Cardio-Training abseits des Bikes stärkt das Herz-Kreislauf-System, bringt Abwechslung rein und verbessert die allgemeine Ausdauer.
Steady-State-Training (Zone 2)
In einem Tempo, bei dem du dich noch gut unterhalten kannst, wird die Fettverbrennung gefördert, die aerobe Effizienz verbessert und die Grundlagenausdauer gestärkt.
High-Intensity Interval Training (HIIT)
Kurze, intensive Belastungen wechseln sich mit Pausen oder leichter Aktivität ab. HIIT steigert deine VO2max, hebt die Laktatschwelle an und stärkt dich mental – ideal für intensive Rennen.
Cardio mit Cross-Training
Rudern, Schwimmen oder Trailrunning verbessern ebenfalls deine aerobe Fitness – ohne die radtypische, einseitige Belastung der Muskulatur.

Power- und plyometrisches Training für Radfahrer
Power ist die Fähigkeit, Kraft in Geschwindigkeit umzusetzen. Plyometrisches Training verbessert die neuromuskuläre Koordination und deine Explosivkraft.
Effektive Power-Übungen:
- Box Jumps: Stärken die explosive Kraft im Unterkörper.
- Squat Jumps: Verbessern die schnelle Kraftentwicklung.
Diese Übungen trainieren die Muskeln darauf, schnell und effizient zu kontrahieren – was dir beim Sprinten, Antreten und Anstiegen am Berg einen echten Vorteil bringt.

Mobilitäts- und Flexibilitätsübungen für Radfahrer
Radfahren ist eine sich wiederholende Bewegung in fester Körperhaltung. Das kann in bestimmten Bereichen schnell zu Verkürzungen und Verspannungen führen. Mobilitätstraining hilft dabei, Verletzungen vorzubeugen und sorgt für mehr Komfort, besonders auf längeren Fahrten.3
Dynamisches Stretching
Dynamisches Stretching umfasst aktive Bewegungen, bei denen Muskeln und Gelenke durch ihren gesamten Bewegungsradius geführt werden. Diese Übungen sind ideal vor dem Radfahren oder Krafttraining – sie erhöhen die Muskeltemperatur, aktivieren wichtige Muskelgruppen und bereiten den Körper auf Leistung vor.
Bewegungen wie Leg Swings, Hip Circles, Walking Lunges mit Rotation oder Inchworms lockern gezielt Hüften, hintere Oberschenkel und die Wirbelsäule – Bereiche, die durch die Sitzhaltung auf dem Bike oft besonders verspannt sind.
Wenn du dich regelmäßig dynamisch dehnst und mit der Faszienrolle arbeitest, kannst du Verletzungen vorbeugen, die Bewegungsqualität verbessern und länger bequem und effizient im Sattel sitzen.
Foam Rolling
Foam Rolling ist eine Form der Selbstmassage, bei der gezielter Druck auf das Fasziengewebe ausgeübt wird – also das Bindegewebe, das deine Muskeln umhüllt.
Durch kontrollierten Druck mit der Rolle werden Verklebungen gelöst, die Durchblutung gefördert und Muskelverspannungen gelindert – besonders in stark beanspruchten Zonen wie Oberschenkeln, IT-Bändern, Waden und Gesäß.
Wenn du Foam Rolling regelmäßig in dein Warmup oder deinen Cooldown einbaust, verbesserst du die Gewebequalität und unterstützt die Regeneration zwischen den Einheiten.
Statisches Stretching
Statisches Stretching nach dem Radtraining hilft dabei, die Beweglichkeit zu erhalten, Muskelverspannungen zu lösen und die Regeneration zu fördern. Diese langsamen, gehaltenen Dehnpositionen sind ideal nach dem Training – wenn die Muskeln warm sind und sich ohne Verletzungsrisiko sicher dehnen lassen.
- Hip Stretches: Wirken dem Spannungsgefühl entgegen, das durch langes Sitzen entsteht.
- Hamstring Stretches: Verbessern die Trittbewegung und entlasten den unteren Rücken.
- Calf Stretches: Erhalten die Beweglichkeit im Sprunggelenk und beugen Überlastungen vor.
- Rotationen der Brustwirbelsäule: Fördern die Beweglichkeit im Oberkörper und verbessern die Atmung.

Radsportspezifische Skills, auf die du achten solltest
Training abseits des Bikes legt die Grundlage, aber bestimmte technische Fähigkeiten musst du gezielt auf dem Rad weiterentwickeln:
- Trittfrequenz-Kontrolle: Probiere, mit unterschiedlichen Umdrehungen pro Minute (RPM) zu treten, um deine muskuläre Effizienz zu steigern.
- Kurventechnik und Bike-Handling: Gezielte Übungen helfen dir, weniger zu bremsen, Schwung mitzunehmen und sicherer zu fahren.
- Technik für Anstiege und Abfahrten: Dazu gehören Körperhaltung, Gangwahl und gezieltes Bremsverhalten.
Wenn du technisches Fahrtraining mit Kraft- und Mobilitätsübungen kombinierst, stellst du sicher, dass sich deine Fitness direkt in bessere Leistung auf dem Rad überträgt.
„Off-the-bike-Training“ – ein Begriff, der in der Radszene oft (und zurecht) verwendet wird – ist ein entscheidender Bestandteil, um besser auf dem Rad zu werden. Zeit im Sattel schult Ausdauer und Disziplin, aber gezieltes Zusatztraining macht dich stärker, beweglicher und widerstandsfähiger. Und genau das unterscheidet gute Fahrer von großartigen.
Wichtigste Erkenntnisse
- Beim Radfahren arbeiten viele Muskeln und Energiesysteme zusammen – trainiere sie gezielt.
- Kraft, Power, Ausdauer, Beweglichkeit und Rumpfstabilität sind alle wichtig für deine Leistung auf dem Rad.
- Strukturiertes Kraft- und Ausdauertraining hilft, Verletzungen zu vermeiden und effizienter zu fahren.
- Beweglichkeit und Flexibilität sorgen für ein ausgewogenes, komfortables Körpergefühl.
- Techniktraining stellt sicher, dass sich deine Fitness auch wirklich auf die Fahrleistung überträgt.
Noch mal in Kürze
Wenn du vom Off-the-Bike-Training profitieren willst, starte mit einem durchdachten, schrittweisen Ansatz, der zu deiner aktuellen Radroutine passt.
Starte mit zwei Krafteinheiten pro Woche, bei denen du dich auf die wichtigsten Muskelgruppen fürs Radfahren konzentrierst: Gesäß, Oberschenkelvorder- und -rückseite, Rumpf und Oberkörper.
Baue zusätzlich mindestens zwei- bis dreimal pro Woche Mobilitätsübungen ein – am besten nach dem Radfahren oder abends, wenn dein Körper warm ist und Dehnen sowie Faszienrollen effektiver wirken. Schon 10–15 Minuten am Tag machen einen spürbaren Unterschied für Beweglichkeit, Haltung und Komfort auf dem Bike.
Neben Kraft und Mobility solltest du pro Woche eine Einheit hochintensives Intervalltraining oder konstantes Ausdauertraining wie Schwimmen oder Rudern einbauen. Das verbessert deine aerobe Kapazität und entlastet gleichzeitig die durch Radfahren stark beanspruchten Muskelgruppen.
Starte klein: Ein 20-minütiges HIIT-Workout oder ein kurzer 30-minütiger Spaziergang können bereits viel bewirken. Sei konsequent, beobachte deine Fortschritte und passe dein Training an deine Ziele und dein Energielevel an. Und das Wichtigste: Hör auf deinen Körper. Gönn dir Ruhe, wenn du sie brauchst, setz auf Qualität statt Quantität und gib dir Zeit, dich zu entwickeln.
Mit einem ausgewogenen Trainingsplan wirst du stärker fahren, schneller regenerieren – und noch mehr Spaß am Radfahren haben.
Literatur
[1] Friel, J. (2018). The cyclist’s training bible (5th ed.). VeloPress.
[2] Smirna, J., & Wundersitz, D. W. T. (2017). The impact of strength and conditioning programs on cycling performance. Journal of Strength and Conditioning Research, 31(3), 850–862.
[3] Bishop, D. (2003). Warm up II: Performance changes following active warm up and how to structure the warm up. Sports Medicine, 33(7), 483–498.