Von Laufband-Routinen bis Darmgesundheit hat sich TikTok zu einer beliebten Quelle für Fitness- und Wellness-Inspiration entwickelt. Aber nicht alle auf der Plattform geteilten Tipps sind gleich empfehlenswert.
Einer der neuesten viralen Trends, der die sozialen Netzwerke im Sturm erobert hat? SkinnyTok – alles rund um Abnehmen und Ernährung und ganz viel Glorifizierung des „Dünnseins“.
Es mag auf den ersten Blick nach harmloser Motivation aussehen, könnte aber einen erheblichen Einfluss auf deine Gesundheit, dein Mindset und deine Fitnessziele haben. Sehen wir es uns einmal genauer an.
Was ist SkinnyTok?
Der nischige TikTok-Abnehmtrend nimmt Content Creator in den Fokus, die Tipps, Tricks und Ratschläge dazu geben, wie man sehr schlank – „skinny“ – werden und bleiben kann.
Dabei werden Kaloriendefizite, extreme Fitnessziele, Abnehmtricks, grüne Saftkuren und kleinteiliges Kalorien-Tracking in einen Topf geworfen. Mit Hashtags wie #SkinnyTok, #Thinspo und #CalorieDeficit versehen, posten Influencer extrem bearbeitete Reels ihrer alltäglichen Routinen und stellen Schlankheit als das Nonplusultra dar.
SkinnyTok ist nicht wie andere vorübergehende Trend-Diäten, sondern eine Kombination verschiedener Verhaltensweisen, die eins zum Ziel haben: dünn zu sein. Andere Ernährungstrends wie Keto oder intermittierendes Fasten bewegen sich nah an natürlichen Ernährungsmustern. Bei SkinnyTok dreht sich jedoch alles darum, Schlankheit zum einzigen Fitnessziel zu erklären.
Warum hat der Trend so viel Einfluss? SkinnyTok ist ambitioniert, aalglatt und asketisch und kombiniert „Clean Girl Vibes“ mit dem Mager-Wahn der 90er Jahre. Ein subtiler und potenziell gefährlicher Mix.
Wo SkinnyTok richtig liegt
Fangen wir damit an: Es ist nicht alles verkehrt. Grundlegend geht es um Selbstverbesserung und Unterstützung von Gleichgesinnten, die alle gemeinsam auf ihre persönlichen Ziele hinarbeiten. Teile des SkinnyTok-Contents:
- ermuntern zuguten Routinen wie Gehen, Joggen, ausreichendem Trinken und auf seine Portionsgrößen zu achten. All das sind Gewohnheiten, die für Menschen am Anfang ihres Fitnessvorhabens Sinn ergeben.
- fördern Eigenverantwortung , denn anderen beim Verfolgen ihrer Ziele zuzuschauen, motiviert viele, selbst gesünder zu leben.
- zeigen, dass Fitness für jeden zugänglich ist, wohingegen andere intensive Workout-Trends Neulinge oft abschrecken. Stattdessen stehen SkinnyTok-Creator für kleine und subtile Veränderungen, wie statt zuckriger Getränke mehr Wasser zu trinken und täglich spazieren zu gehen.
Warnsignale bei SkinnyTok
SkinnyTok hat vielleicht gute Intentionen, die Kommunikation drumherum kann aber schnell toxisch werden. Viele Videos verbreiten das Mantra „weniger essen, mehr trainieren“. Das ist eine starke Vereinfachung der komplexen Mechanismen, die hinter Gewichtsabnahme, Stoffwechsel und unserer Beziehung zum Essen stehen.
Noch besorgniserregender sind einige Posts, die gewisse Gewohnheiten mit Scham behaften – und das kann zu anhaltender, emotionaler Schädigung führen.1 Hier sind die wichtigsten Red Flags bei SkinnyTok:
1. Unrealistische Erwartungen
Viele SkinnyTok-Videos sind mit Filtern bearbeitet oder aus günstigen Winkeln aufgenommen und zeigen ein unerreichbares Ideal. Sie suggerieren oft, dass man mit minimalem Einsatz schnell Gewicht verlieren oder superdünn werden kann.
Tatsächlich empfehlen Gesundheitsorganisationen (wie etwa der britische NHS) eine nachhaltige Gewichtsabnahme von 0,5 bis 1 kg pro Woche.2
2. Körperdysmorphe Störung
Dein eigenes Körperbild kann darunter leiden, wenn du dir ständig idealisierte Körper anschaust. Unter Personen, die 4–7 Stunden am Tag soziale Medien konsumieren, finden sich einer Studie zufolge mehr Menschen mit körperdysmorpher Störung als unter solchen, die nur maximal eine Stunde am Tag damit verbringen.3 Ein Hinweis darauf, dass soziale Medien sich durchaus auf die mentale Gesundheit auswirken können.
3. Probleme mit der mentalen Gesundheit
Der Schlankheitsdruck kann Ängste und ein geringes Selbstbewusstsein verursachen und zu zwanghaften Verhaltensmustern rund um Ernährung und Sport führen.
Einigen Studien zufolge ist der Social-Media-Konsum ein Risikofaktor für die Entstehung von Essstörungen, insbesondere bei jungen Menschen.4
4. Ungesunde Beziehung zum Essen
Kalorienzählen an sich ist noch nicht gefährlich. Jedoch treibt SkinnyTok es oft extrem auf die Spitze. Einige beliebte Mottos sind zum Beispiel:
- „Wenig essen für wenig Körperumfang.“
- „Dein Magen knurrt nicht, er applaudiert dir.“
- „Dein schlanker Körper am Morgen ist für jemand anderen fett.“
- „Fett bleibt länger als Genuss.“
SkinnyTok-Videos können Einschränkungen, Schuldgefühle oder sogar Ängste in Bezug auf Ernährung verbreiten. Studien zeigen, dass diese Art von konsumierten Inhalten das eigene Körperbild sowie das Essverhalten junger Erwachsener und beeinflussbarer Menschen negativ beeinflusst.5
Auswirkungen von Trends wie SkinnyTok auf die Fitnessbranche
Der Erfolg von Social-Media-Trends wie SkinnyTok zeigt, wie stark soziale Medien unsere Glaubenssätze rund um Gesundheit und Fitness formen.
Positiv betrachtet, werden Workouts so für alle besser zugänglich. Außerdem lassen sich dadurch viele zu erschwinglichen Heim-Workouts motivieren und es finden sich Online-Communities zusammen, die sich gegenseitig antreiben. Auf der anderen Seite werden aber auch ungesunde Verhaltensmuster verbreitet, unqualifizierten Meinungen eine Plattform gegeben und Einschränkungen gefördert.
Besonders Influencer ohne formales Training präsentieren sich oft als Profis und nutzen ihre Körper als Marke, ohne dabei wirklich transparent zu sein.
Damit verschwimmt die Grenze zwischen Inspiration und Falschinformation – besonders für jüngere Menschen. Tatsächlich hat eine Studie ergeben, dass 60% der Menschen sich auf Empfehlungen durch Influencer verlassen.6
Vergleiche sind ein weiteres Problem. Zu sehen, wie andere scheinbar perfekte Routinen posten, kann Selbstzweifel hervorrufen. Man fängt an, seinen eigenen Fortschritt infrage zu stellen, auch wenn man hart daran arbeitet. Mit der Zeit kann das deine Motivation und dein Selbstwertgefühl vernichten.
Behalte deshalb immer im Hinterkopf: Beliebtheit macht noch keine Profis. Schau dir immer die Referenzen der Influencer an, wie Qualifikation, Ausbildung und Erfahrung. Das ist alles viel wichtiger als die Followerzahl.

Wie eine gesunde Balance aussieht?
Folge keinem gefeierten „Ideal“ in den sozialen Medien, sondern konzentriere dich auf die Dinge, mit denen du dich stark, ausgeglichen und energiegeladen fühlst. Einfach nur dünn auszusehen, ist nicht unbedingt immer die mental und körperlich gesündeste Option.
Und wenn du deine Ernährung stark einschränkst oder in zwanghaftes Training verfällst, kann deine allgemeine Gesundheit darunter leiden. Im Extremfall kann sich ein gestörtes Essverhalten negativ auf deine Fruchtbarkeit,7 mentale Gesundheit,8 und Herzgesundheit auswirken.9
Darauf solltest du dich stattdessen konzentrieren:
- Ausgewogene Ernährung – Wir sagen es immer wieder: Eine gut ausgewogene Ernährung ist der ideale Treibstoff für deine Ernährung und zielt nicht ausschließlich auf ein bestimmtes Aussehen ab. Wenn du dauerhaft die richtigen Mengen Protein, Kohlenhydrate und gesunder Fette zu dir nimmst, unterstützt das dein Befinden, deine Energie und auch deine Gewichts- oder Fitnessziele viel besser als restriktive Ernährung oder Besessenheit mit Kalorien und dem eigenen Gewicht.
- Leistung statt Strafe – Ja, Workouts und gesunde Gewohnheiten fühlen sich manchmal wie Arbeit an. Aber deshalb sollten sie noch lange nicht als Form der Bestrafung verstanden werden. Setze dir realistische Ziele, wie mehr Kraft aufzubauen, einen 5-km-Lauf in unter 30 Minuten zu schaffen oder einen neuen Skill zu meistern. Diese Ziele sind Meilensteine für deinen Fortschritt. Sie helfen dir, fokussiert zu bleiben, geben dir ein Gefühl der Selbstwirksamkeit und machen deinen Fitnessweg nachhaltig und tatsächlich umsetzbar. Kleiner Bonus: Ziele sind eine tolle Gelegenheit, dich selbst zu feiern – und zwar bei jedem kleinen Meilenstein!
- Schütze deine mentale Gesundheit – Dünn sein heißt nicht automatisch, glücklich zu sein. Und was genau ist eigentlich „dünn“? Lass dich von sogenannten Idealen in den sozialen Medien nicht verunsichern. Lege deinen Fokus stattdessen auf genug Schlaf, übe dich im Stressmanagement und arbeite an einem guten Verhältnis zum Essen, um deine mentale Gesundheit zu fördern.
Noch mal in Kürze
Auch, wenn SkinnyTok für Neulinge vielleicht einen Einstieg in die unübersichtliche Welt der Gesundheit und Fitness bietet, fördert der Trend doch auch viele ungesunde Gewohnheiten und Verhaltensweisen. Am Ende könntest du schlechter dastehen als vorher.
Auf dem Weg zu Gesundheit und Fitness sollte es nicht darum gehen, die aktuellsten Trends zu verfolgen oder auf den neuesten Fitness-Hype aufzuspringen. Im Fokus sollten gesunde Gewohnheiten stehen, die deine körperliche und mentale Gesundheit unterstützen und dir helfen, eine stärkere Version deiner selbst zu werden.
Wenn du gerade mit Fitness startest, halte dich an das, was Spaß macht, umsetzbar ist und vor allem wissenschaftlich bewiesen wurde. Die beste Version deiner selbst ist nicht deine dünnste Version – sondern deine gesündeste, glücklichste und selbstbewussteste.
Literatur
[1] Howard, T. L. M., Williams, M. O., Woodward, D., & Fox, J. R. E. (2023). The relationship between shame, perfectionism and Anorexia Nervosa: A grounded theory study. Psychology and psychotherapy, 96(1), 40–55. Available here
[2] NHS, (2023). Treatment: Obesity. Available here
[3] Ateq, K., Alhajji, M. and Alhusseini, N. (2024) ‘The association between use of social media and the development of body dysmorphic disorder and attitudes toward cosmetic surgeries: A national survey’, Frontiers in Public Health, 12. Available here
[4] Dane, A., & Bhatia, K. (2023). The social media diet: A scoping review to investigate the association between social media, body image and eating disorders amongst young people. PLOS global public health, 3(3), e0001091. Avaiable here
[5] Rounsefell, K., Gibson, S., McLean, S., Blair, M., Molenaar, A., Brennan, L., Truby, H., & McCaffrey, T. A. (2020). Social media, body image and food choices in healthy young adults: A mixed methods systematic review. Nutrition & dietetics : the journal of the Dietitians Association of Australia, 77(1), 19–40. Available here
[6] University of Portsmouth. (2025). New research unveils the "dark side" of social media influencers and their impact on marketing and consumer behaviour. Available here
[7] Grinstead, E. and Stevenson, E. (2022) ‘Understanding the effects of disordered eating on fertility and fertility outcomes’, Nursing for Women’s Health, 26(5), pp. 397–402. Available here
[8] Tan, E.J., Raut, T., Le, L.KD. et al. The association between eating disorders and mental health: an umbrella review. J Eat Disord 11, 51 (2023). Available here
[9] Sardar, M. R., Greway, A., DeAngelis, M., Tysko, E. O., Lehmann, S., Wohlstetter, M., & Patel, R. (2015). Cardiovascular Impact of Eating Disorders in Adults: A Single Center Experience and Literature Review. Heart views : the official journal of the Gulf Heart Association, 16(3), 88–92. Available here