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Was ist der Muscle-Memory-Effekt?

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Wahrscheinlich hast du schon mal davon gehört, wie andere nach einer scheinbar jahrelangen Trainingspause ihr früheres Level bald wieder erreicht haben. Und dabei ist vermutlich auch der Begriff „Muscle Memory” gefallen, dank dem sie schneller wieder ihre Leistung erbringen konnten als erwartet. Und vielleicht fragst du dich: Ist da tatsächlich etwas dran? Erinnern sich unsere Muskeln wirklich an frühere glorreiche Zeiten? Sehen wir uns die wissenschaftlichen Fakten an und finden wir's heraus.

Zunächst einmal ist die Bezeichnung „Muscle Memory” (Muskelgedächtnis) ein wenig irreführend, denn natürlich haben Muskeln kein eigenes Gehirn mit Erinnerungsvermögen. Stattdessen bezieht sich der Begriff darauf, dass die Muskeln schnell zu ihrer früheren Form bzw. ihrem früheren Fitnesslevel zurückkehren können. Die Wissenschaft ist jedoch noch dabei, die genauen Hintergründe zu erforschen.

Der Muscle-Memory-Effekt hat möglicherweise einen bedeutenden neurologischen Aspekt, sprich: Das „Gedächtnis” befindet sich im Gehirn und nicht im Muskel.

Andere Faktoren, die dafür verantwortlich sein könnten, liegen auf zellulärer Ebene, also im Kern der Muskelzellen.

Es gibt zudem Untersuchungen zu den Auswirkungen auf epigenetischer Ebene, d. h., dem Einfluss, den äußere Faktoren auf die Ausprägung des Genoms deiner Muskeln haben können.

Nehmen wir diese drei möglichen Aspekte des Muscle-Memory-Effekts mal genauer unter die Lupe. 

Der Muscle-Memory-Effekt auf neurologischer Ebene

Einer der wichtigsten möglichen Aspekte des Muscle-Memory-Effekts hat nichts mit deinen Muskeln zu tun. Es geht ausschließlich um das Gehirn, genauer gesagt um die Bewegungsmuster, die dein Gehirn speichert, auch wenn du eine Zeit lang nicht trainierst.

Jede Bewegung, die wir ausführen, wird im Gehirn als neurologischer Pfad gespeichert, ähnlich wie ein Bewegungsprogramm. Das gilt für alle Bewegungen, von einem einfachen Squat bis hin zu einer komplexen Übung wie einem Kettlebell Snatch.

Jede Bewegung, die du wiederholt übst, wird als neuronaler Pfad oder Bewegungsmuster tief in deinem Gehirn verankert. Mit der Zeit wird sie also im Unterbewusstsein gespeichert. Ein typisches Beispiel dafür ist Fahrradfahren: Wenn du einmal gelernt hast, wie es geht, wirst du es wahrscheinlich nie wieder vergessen.

Vieles von dem, was wir Kraft nennen, basiert auf der neuromuskulären Koordination, also der Effizienz, mit der dein Gehirn deine Muskeln kontrolliert. Absolvieren wir Exercises wie Bench Presses, gehen wir oft davon aus, dass der Ablauf für unser Gehirn ganz einfach ist (wir drücken die Hantel nach oben und senken sie wieder ab), aber das Bewegen eines Gewichts ist in Wirklichkeit ein hochkomplexer Prozess, bei dem unser Gehirn viele Nervenbahnen koordinieren und aktivieren muss. 

Wenn wir über den neurologischen Aspekt des Muscle-Memory-Effekts sprechen, kommen uns wahrscheinlich eher koordinative Aufgaben wie Jonglieren in den Sinn, aber er ist auch für die Kraftleistung wichtig. Natürlich spielt auch die Muskelmasse eine essenzielle Rolle (ohne Muskelmasse kannst du deine Kraft gar nicht erst koordinieren ...). 

Wenn du eine längere Trainingspause einlegst und das Training dann wieder aufnimmst, wird dein Gehirn die motorischen Muster für deine Übungen wahrscheinlich nach ein paar Versuchen wieder erkennen. So findest du (zumindest auf der Koordinationsebene) viel schneller wieder zu deinem alten Niveau zurück, als wenn du die Bewegung oder Übung zum ersten Mal ausführst. 

Unser Gehirn ist so leistungsfähig, dass dieser Aspekt des Muscle-Memory-Effekts wahrscheinlich das ist, was du am schnellsten spürst, weil er nicht vom Wachstumsprozess deiner Muskelzellen abhängt. 

Das Gehirn kann bekannte Bewegungsmuster in nur 1–2 Wochen neu verdrahten. Der Wiederaufbau von Muskelmasse ist jedoch ein Prozess, der unter Umständen länger dauert. 

Der Muscle-Memory-Effekt auf zellulärer Ebene

Einer der Gründe, warum du nach einer langen Trainingspause schneller wieder auf die Beine kommst als jemand, der gerade erst angefangen hat, liegt vielleicht tief in deinen Muskeln. Genauer gesagt im Kern der Muskelzellen. Dieser Aspekt des Muscle-Memory-Effekts ist am engsten mit deiner Muskulatur verknüpft.

Wenn du mit dem Training pausierst, ist der erste sichtbare Muskelschwund auf den Verlust von Glykogen (im Muskel gespeicherte Kohlenhydrate) zurückzuführen. Damit geht auch viel Wasser aus den Muskeln verloren, was sie optisch kleiner erscheinen lässt.

Als Nächstes beginnt der Körper damit, die Dicke deiner Muskelzellen zu verringern. Die Zellkerne bleiben jedoch noch eine ganze Weile am Leben, nachdem du mit dem Training aufgehört hast.1 Was verloren geht, ist die Zellmasse. 

Wenn du wieder mit dem Training beginnst, muss dein Körper keine neuen Muskelzellen bilden. Er baut deine Muskelzellen lediglich zu ihrem früheren Volumen wieder auf. Deshalb ist es möglicherweise weniger anstrengend, deine frühere Muskelmasse wiederzuerlangen, wenn du anfängst, regelmäßig zu trainieren. 

Allerdings ist die Zeit, in der du mit dem Training aussetzen und trotzdem deine Zellkerne erhalten kannst, wahrscheinlich nicht unbegrenzt.

Der Muscle-Memory-Effekt auf epigenetischer Ebene

Deine Gene spielen eine große Rolle für dein sportliches Potenzial. Sie werden dich zwar nicht davon abhalten, muskulöser oder definierter zu werden, aber sie bestimmen deine Entwicklungsmöglichkeiten, also wie weit du in deiner sportlichen Entwicklung gehen kannst.

Deine Gene verändern sich zwar nicht, jedoch kann ihre Ausprägung anders ausfallen. Dieser Prozess wird Epigenetik genannt, also die Veränderung der Genexpression durch äußere Faktoren (in diesem Fall durch Sport).

Sobald du Sport treibst, findet in deinen Muskelzellen ein Prozess namens Methylierung statt. Dabei wird eine chemische Kennzeichnung, eine sogenannte Methylgruppe, an das Genom deiner Muskelzelle angehängt.

Diese Kennzeichnung wird auch an zukünftige Muskelzellen weitergegeben. Sie zeichnet im Wesentlichen die Anpassungen an das Training für zukünftige Generationen deiner Muskelzellen auf.

Deine frühere Fitness, d. h., Kraft oder Ausdauer, wird im epigenetischen Gedächtnis deiner Zellen festgehalten und kann reaktiviert werden, sobald du wieder regelmäßig trainierst. Dieser Aspekt des Muscle-Memory-Effekts könnte im Vergleich zu den neurologischen und zellulären Aspekten von längerer Dauer sein.

Das ist ein weiterer Grund, warum es dir, wenn du einmal gut trainiert warst, leichter fällt, zu deiner alten Form zurückzufinden als jemandem, der nie Sport getrieben hat. 

Was genau bedeutet das in der Praxis?

Wenn du dich in einer Situation befindest, in der du nach einer langen Trainingspause (d. h. nach Monaten) wieder einsteigst, kannst du vom Muscle-Memory-Effekt profitieren. Versuche hierfür, deine alten Trainingsgewohnheiten wieder zu aufzunehmen.

Um Verletzungen vorzubeugen, solltest du dich jedoch langsam wieder herantasten. Versuche nicht, die gleiche Anzahl von Wiederholungen zu absolvieren, dasselbe Gewicht zu verwenden oder dieselben Strecken und Zeiten zu laufen wie früher. Fange langsam wieder an und trainiere konsequent weiter, anstatt dich zu hetzen.

Wann erreichst du deine alte Form wieder? Das hängt stark davon ab, wie hoch dein Level davor war und wie lange du mit dem Training pausiert hast.

Wenn du ein hohes Leistungsniveau erreicht hast und eine lange Trainingspause einlegst, wirst du wahrscheinlich deine Anpassungsfähigkeit und Leistung einbüßen und umso länger wird es dauern, bis du wieder dort bist, wo du vorher warst.

Ein solider Ausgangspunkt kann jedoch mit konsequentem Training innerhalb von 4–6 Wochen wieder erreicht werden.

Beginne mit progressiver Belastungssteigerung, d. h., steigere deine Performance schrittweise und erlaube deinen Gelenken und deinem Gewebe, sich an die Trainingsbelastung anzupassen. 

Dank des Muscle-Memory-Effekts wirst du feststellen, dass es nicht mehr so anstrengend ist wie am Anfang.

Noch mal in Kürze:

Den Muscle-Memory-Effekt gibt es wirklich. Nur der Begriff „Memory” (Gedächtnis) kann etwas irreführend sein. Kurz gesagt, wenn wir mit dem Training pausieren, sind die anfänglichen Einbußen, die wir im Spiegel sehen, nicht auf den Verlust von Muskelzellen zurückzuführen, sondern auf den Verlust von Wasser im Muskel.

Erst später baut der Körper Muskelmasse ab und schließlich legt das Gehirn die Erinnerung daran, wie bestimmte Übungen funktionieren, in den Speicher zurück.  

Wenn du wieder mit dem Training beginnst, kann es aufgrund der drei Aspekte des Muscle-Memory-Effekts etwas leichter sein als zu Beginn deines Trainings: 

  • Neurologisch: wie sich dein Gehirn an alte Bewegungsmuster erinnert 

  • Zellulär: die Tatsache, dass die Zellkerne deiner Muskeln noch vorhanden sein können 

  • Epigenetisch: die Fähigkeit deiner Genexpression, frühere Anpassungen ans Training wiederherzustellen

Stress dich also nicht, dass du nach einer Trainingspause bei null anfangen musst. Pausen können gesund sein und dein Körper weiß dank des Muscle-Memory-Effekts wie er schnell wieder auf Kurs kommt. 

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