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Hormone, Menstruation und Training

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Dr. Sayyada Mawji:

Kann man während der Periode trainieren? Kann Training PMS-Symptome verschlimmern? Welche Phase des Menstruationszyklus eignet sich am besten, um aktiv zu sein? Beeinflussen die Hormone während des Zyklus das Training?

Es gibt so viele Fragen, Mythen und neue Forschungsergebnisse im Hinblick auf den Zusammenhang von Training und Menstruationszyklus. Heute gehe ich detailliert auf all diese Fragestellungen ein.

Beginnen wir damit, den Menstruationszyklus zu verstehen

Die Länge des Menstruationszyklus kann variieren, liegt aber im Durchschnitt zwischen 21 und 35 Tagen. Tag 1 ist der Beginn der Periode. Sobald die nächste Periode einsetzt, endet der Zyklus.

Die Follikelphase

Die Lutealphase

Woche 1

Woche 2

Woche 3

Woche 4

Hormonspiegel

Östrogen und Progesteron sind niedrig. Der Östrogenspiegel steigt um den 5. bis 8. Tag an.

Der Östrogenspiegel erreicht seinen Höchststand.

Östrogen bleibt hoch & Progesteron steigt ebenfalls an.

Wird die Eizelle nicht befruchtet, sinkt der Hormonspiegel wieder.

Was passiert?

Du bekommst deine Periode.

Die Gebärmutterschleimhaut baut sich wieder auf und der Eisprung setzt ein.

Die Gebärmutterschleimhaut bleibt dick und bereitet den Körper auf eine mögliche Schwangerschaft vor.

Wenn du nicht schwanger bist, baut sich deine Gebärmutterschleimhaut ab und der Zyklus beginnt von neuem mit deiner Periode.

Welche Auswirkungen haben diese Hormone auf deinen Körper?

Östrogen und Progesteron hängen nicht nur mit dem Menstruationszyklus und der Fortpflanzung zusammen. Sie wirken sich auch auf andere Organe und Körpersysteme aus, z. B. auf Gehirn, Herz, Muskeln und sogar Knochen.

Im Bewegungsapparat trägt Östrogen zur Erhaltung der Knochendichte bei und ist für gesunde Knochen unerlässlich. Es wirkt zudem anabol, d. h. es trägt zum Aufbau von Muskelmasse und Kraft bei.

Studien haben ergeben, dass Krafttraining in der Follikelphase im Vergleich zu Krafttraining in der Lutealphase zu mehr Muskelkraft beiträgt[1]. So wurde in einer Studie festgestellt, dass die maximale freiwillige Kontraktion, mit der die Muskelkraft gemessen wird, in der frühen Follikelphase signifikant höher war als in der späten Lutealphase[2].

Im Gehirn erhöht Östrogen den Serotoninspiegel, was sich positiv auf die Stimmung und das Energielevel auswirkt[5].

Veränderungen des Östrogen- und Progesteronspiegels in der zweiten Hälfte des Menstruationszyklus können zu prämenstruellen Beschwerden wie Völlegefühl, Brustspannen und Stimmungsschwankungen führen. Progesteron führt auch zu einem Anstieg der Körperkerntemperatur.

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Was bedeutet all das für dein Training?

Wenn wir verstehen, wie die Hormone in unserem Körper wirken, welche verschiedenen Körpersysteme betroffen sind und wie sich der Hormonspiegel

während des Menstruationszyklus verändert, können wir verstehen, wie Training, Leistungsfähigkeit und Regeneration davon beeinflusst werden. Mit diesem Wissen kannst du dein Trainingsprogramm optimieren und an dich anpassen.

Hier ein grober Überblick, wie du das Training Woche für Woche optimal gestalten kannst:

WOCHE 1

Da das Östrogen allmählich ansteigt, fällt es dir vielleicht leichter, in dieser Zeit aktiv zu sein. Und, falls es nicht eh schon offensichtlich war: Ja, du kannst während deiner Periode problemlos Sport treiben!

Wie neue Forschungsergebnisse zu Östrogen und Muskelkraft nahelegen, könnte jetzt der ideale Zeitpunkt für Krafttraining sein.

WOCHE 2

Da der Östrogenspiegel vor dem Eisprung seinen Höchststand erreicht, kann es sein, dass du in dieser Woche besonders energiegeladen bist. Nutze die positiven Auswirkungen auf deine Stimmung und Motivation für deine Workouts!

Beachte, dass in dieser Zeit das Östrogen Bänder und Sehnen erschlaffen lassen kann [3][4], weshalb du darauf achten solltest, dich gut aufzuwärmen und so Verletzungen vorzubeugen.

WOCHE 3

Wenn der Progesteronspiegel ansteigt, kann es sein, dass du dich müder oder träge fühlst, was aber nicht heißt, dass du dich nicht bewegen kannst oder sollst! Tatsächlich kann dir ein Workout in dieser Phase mehr Energie verleihen und deine Laune verbessern. Überlege, ob du auf ein Training mit geringerer Intensität oder lange Spaziergänge umsteigen solltest, und achte auf ausreichend Pausentage.

WOCHE 4

Wenn der Östrogen- und Progesteronspiegel zu sinken beginnt, kann es zu prämenstruellen Beschwerden (PMS) kommen. Mäßig intensive körperliche Aktivitäten wie Yoga oder aktive Regeneration, bei denen Stretching und Mobilitätsübungen im Vordergrund stehen, können bei diesen Symptomen helfen und das Energielevel hochhalten.

Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen, die regelmäßig Sport treiben, auch während der Menstruation weniger schmerzhafte Krämpfe haben[6].

Was aber am wichtigsten ist: Lerne deinen Zyklus kennen und höre auf deinen Körper.

All diese Infos sind ein nützlicher Leitfaden, um dein Training auf deinen Zyklus abzustimmen, jedoch bedarf es noch weiterer Forschung, um diesen Bereich besser zu verstehen.

Es gibt zwar Forschungsergebnisse, die uns als Richtschnur dienen können, aber die Schlussfolgerungen, die wir ziehen können, sind aufgrund der geringen Anzahl der Teilnehmer*innen an den Studien begrenzt.

Der erste wichtige Schritt ist es, deinen Zyklus zu verstehen. Beginne damit, deinen Menstruationszyklus in einem Notizbuch oder mit Hilfe einer App zu verfolgen. Schreibe mögliche Symptome auf, und wie du dich in den verschiedenen Phasen des Zyklus fühlst. Achte darauf, dein Energielevel, deine Stimmung, eventuelle Müdigkeit oder PMS-Symptome sowie dein Befinden beim Sport und Training festzuhalten.

Das hilft dir, dein Trainingsprogramm so zu gestalten, dass es für dich passt.

Denk daran, auf deinen Körper zu hören! Wenn du Veränderungen in deinem Menstruationszyklus oder Unregelmäßigkeiten feststellst, solltest du dir medizinischen Rat holen.

PROFIL
Dr. Sayyada Mawji ist Allgemeinmedizinerin in London und Expertin für Gesundheit und Wohlbefinden. Sie widmet sich mit großer Leidenschaft der Stärkung des Gesundheitsbewusstseins, wobei ihr besonderes Interesse der weiblichen und psychischen Gesundheit gilt. Zudem setzt sie sich gegen Fehlinformationen im Internet ein. Dr. Sayyada schreibt regelmäßig Beiträge für nationale und internationale Medien, ist TEDx Speakerin und als Gesundheitsexpertin Teil des Women's Health Magazine Panel. Für ihr Engagement im Bereich Gesundheit wurde sie mit dem Professional Woman Award 2021 ausgezeichnet. Dr. Sayyada setzt sich außerdem intensiv für internationale Hilfsprojekte ein und reist leidenschaftlich gern. Folge ihr auf Instagram: @doctorsayyada

LITERATUR

[1] Effects of follicular versus luteal phase-based strength training in young women - Sung, E., Han, A., Hinrichs, T., Vorgerd, M., Manchado, C., & Platen, P. (2014).

[2] Effect of menstrual cycle on muscle strength - Rodrigues, Patrick, de Azevedo Correia, Marilia, & Wharton, Lee (2019).

Journal of Exercise Physiology Online

[3] Does injury incidence really change across the menstrual cycle? Highlighting a recent key study - Dr Emma Jane Lunan

[4] The effect of menstrual cycle and contraceptives on

ACL injuries and laxity: a systematic review and meta-analysis- Herzberg SD, Motu’apuaka ML, Lambert W, Fu R, Brady J, Guise JM. Orthopaedic journal of sports medicine. 2017 Jul

[5] Neurobiological Underpinnings of the Estrogen – Mood Relationship - Whitney Wharton, Ph.D, Carey E. Gleason, Ph.D, Sandra R. M. S. Olson, Cynthia M. Carlsson, M.D, M.S., and Sanjay Asthana, M.D, F.R.C.P.

[6] Exercise and primary dysmenorrhoea : a comprehensive and critical review of the literature - Amanda J Daley